Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /home/httpd/vhosts/lalecheleague.ch/elternzeitschrift.org/libraries/cms/application/cms.php on line 464 2011/04 Die Macht der Antikörper

Gestillte Kinder sind unter anderem deshalb seltener krank, weil die Anti- körper der Muttermilch vor Infektionen schützen. Doch wie funktioniert die- ser Schutz?

Während der Schwangerschaft erhält das ungeborene Kind über die Plazenta IgG-Antikörper, die ihm einen gewissen Schutz vor Krankheiten verleihen, welche die Mutter selbst durchlebt hat oder gegen die sie geimpft wurde. Dieser so genannte Nestschutz ist unterschiedlich stark ausgeprägt, denn es ist ja nicht jede Frau im Laufe ihres Lebens an den gleichen Krankheiten erkrankt oder gegen die gleichen Erkrankungen geimpft worden. Zudem ist der Antikörperübertritt nicht für jede Erkrankung gleich hoch. Gut über die Plazenta ins Kind gelangen Antikörper gegen Diphtherie, Tetanus, Salmonellenerkrankungen, Röteln, Mumps, Polio und Masern. Für andere Erkrankungen, darunter zum Beispiel Keuchhusten, bekommt das Kind keinen Nestschutz. Auch der Geburtszeitpunkt spielt eine Rolle: Seine optimale Wirkung kann der Nestschutz nur bei reif geborenen Kindern entwickeln.

Die Fähigkeit des Neugeborenen, selbst Immunglobuline zu bilden, besteht zwar von Geburt an, aber es verfügt zu Beginn seines Lebens noch kaum über eigene Antikörper. Deshalb ist die Versorgung des Babys mit Antikörpern der Mutter ein wichtiger Beitrag, um es in den ersten Lebenswochen vor Infektionen zu schützen. Der Nestschutz ist sozusagen eine Überbrückung in der Abwehr, bis das Kind reifer und widerstandsfähiger geworden ist. Im Verlaufe der Zeit kommt es dann nach der Geburt zu einem Abbau der mütterlichen Abwehrstoffe, während das Kind parallel dazu selbst Antikörper bildet und seine Immunabwehr aufbaut.

Über die Muttermilch kommt es zu einer Übertragung weiterer Antikörper, die in besonders hohem Mass im Kolostrum und in etwas geringerer Menge auch in der reifen Muttermilch enthalten sind. Diese so genannten IgA-Antikörper schützen die Schleimhäute besonders gut und bilden eine Infektionsbarriere im Darm des Babys, weswegen hier vom enteralen Nestschutz (enteral: den Darm betreffend) gesprochen wird. Vereinfacht erklärt funktioniert die Bildung massgeschneiderter Antikörper des enteralen Nestschutzes folgendermassen:
Keime aus dem Umfeld von Mutter und Kind werden über das Bronchialsystem oder Magen und Darm aufgenommen und vom Immunsystem der Mutter bearbeitet. Die zum Erreger passenden Antikörper wandern über Lymphund Blutweg zur Brustdrüse. Dort entsteht das sekretorische IgA und gelangt mit der Muttermilch zum Kind. Erreger im kindlichen Darm können davon abgefangen werden, da die über die Muttermilch weitergegeben Antikörper auch im Verdauungstrakt wirksam bleiben. Der enterale Nestschutz bleibt solange bestehen, wie das Kind Muttermilch erhält.

Kinder, die während der Stillzeit geimpft werden, zeigen in der Regel eine bessere Immunantwort auf die Impfung als nicht gestillte Kinder. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Die Wirksamkeit der Schluckimpfung gegen Rotaviren kann bei gestillten Kindern deutlich beeinträchtigt sein. Verfügt die stillende Mutter, durch eigenes Durchleben einer Rotavirus-Infektion, über einen hohen Antikörper-Titer gegen Rotaviren, so enthält auch ihre Milch einen hohen Anteil dieser Antikörper, welche die im Impfstoff enthaltenen Lebendvirentypen im Darm des Kindes gemäss der oben gegebenen Erklärung abfangen und neutralisieren können. (1)

Denise Both

(1) Moon et al.: Inhibitory effect of breast milk on infectivity of live oral rotavirus vaccines. Pediatr Infect Dis J. 2010.