Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /home/httpd/vhosts/lalecheleague.ch/elternzeitschrift.org/libraries/cms/application/cms.php on line 464 2011/03 Die Liebe macht’s

Vor rund 800 Jahren hat Friedrich II. angeblich ein Experiment durchgeführt, mit dem er die „Ursprache“ des Menschen ergründen wollte. Das Ergebnis war grausam: Alle Kinder, die zwar körperlich versorgt wurden, aber keine liebevolle Zuwendung erhielten, starben.

Es ist eine Binsenweisheit, dass Kinder, die von Anbeginn ihres Lebens Liebe und Zuneigung erfahren, in aller Regel gesünder und seelisch gefestigter aufwachsen, als Kinder, die auf Liebe und Zuneigung verzichten müssen. Um dies zu belegen, sind Experimente wie das dem Stauferkaiser Friedrich II. zugeschriebene sicher nicht notwendig. Seine Erkenntnis: „Sie vermochten nicht zu leben ohne das Händepatschen und das fröhliche Gesichterschneiden und die Koseworte ihrer Ammen.“ Das Wissen, dass Kinder die Liebe, Sicherheit und Geborgenheit der Bindung zu einer vertrauten Bezugsperson brauchen, ist uralt und inzwischen von Bindungsforschern lange auch wissenschaftlich belegt. Neuere Forschungen zeigen nun auch auf molekulargenetischer Ebene, wie wichtig liebevolle Zuwendung ist.

Die Frage „Gene oder Umwelt“ kann damit eindeutig beantwortet werden: Gene und Umwelt! Denn biographische und ganz besonders zwischenmenschliche Erlebnisse nehmen starken Einfluss auf unsere Gene. So lässt sich zeigen, dass Angst und Stress ebenso wie liebevolle Zuwendung und das Gefühl von Geborgenheit und Nähe Auswirkungen auf das Anbeziehungsweise Ausschalten von Genen haben.

Meaney und sein Team von der McGill University in Montreal, Canada, beschäftigten sich mit einem Gen, das einen hemmenden Einfluss auf die Aktivität des Stressgenes CHR hat. Dieses Anti-Stressgen hat wie jedes Gen einen Schalter, mit dem es aktiviert werden kann. Säuglinge können unmittelbar nach der Geburt zwar das CRH-Gen ak-tivieren und damit eine Stressreaktion zeigen, sie sind jedoch noch nicht in der Lage, ihr biologisches Anti-StressProgramm anzuschalten. Meaney (1) konnte bereits 1998 im Tierversuch nachweisen, dass fürsorgliches Verhalten der Mutter dazu beiträgt, die Blockade des Genschalters für das AntiStressgen abzubauen. Das bedeutet vereinfacht ausgedrückt, dass soziale Zuwendung – Liebe – nach der Geburt das Anti-Stressgen aktiviert und somit dem Kind hilft, lebenslang Stresssituationen besser bewältigen zu können.

Dass dieser Mechanismus auch beim Menschen funktioniert, konnten Pruessner und seine Mitarbeiter (2) zeigen. Im Rahmen ihrer Studie untersuchten sie das Stressniveau von Jugendlichen und bestimmten dafür den Kortisolspiegel im Blut. Dabei zeigte sich, dass die Probanden, die als Kind starke Zuneigung und Liebe erfahren hatten, geringere Kortisolspiegel aufwiesen, als die Jugendlichen, die in der frühen Kindheit weniger Zuneigung erleben durften. Fürsorgliche Behandlung in der frühen Kindheit ging ausserdem mit einem hohen Selbstwertgefühl der Testpersonen einher und umgekehrt.

Schaut man sich nun an, dass Maselko (3) nachweisen konnte, dass Kinder, die von ihren Eltern häufig umarmt und geküsst wurden, im späteren Leben belastenden Situationen besser standhalten konnten und laut Chen (4) zudem über ein besseres Immunsystem verfügen, so dürfte damit wohl auch wissenschaftlich eindeutig bewiesen sein, was Eltern schon lange wissen: dass Liebe und Zuwendung enorm wichtig für die gesunde Entwicklung von Körper und Geist des Kindes sind.

Denise Both

1 Meaney et al.: Proc Natl Acad Sci U S A, 1998
2 Pruessner JC et al.: J Psychiatry Neurosci, 2010 3 Maselko J: J Epidemiol Community Health, 2009
4 Chen E: Molecular Psychiatry, 2010