Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /home/httpd/vhosts/lalecheleague.ch/elternzeitschrift.org/libraries/cms/application/cms.php on line 464 2011/02 Geschlechterkampf an der Mutterbrust?

Gleichberechtigung bedeutet nicht Gleichheit. Es gibt Unterschiede zwischen Männern und Frauen bzw. Jungen und Mädchen, die nicht kulturell oder soziologisch, sondern rein biologisch bedingt sind. Doch gibt es wirklich unterschiedliche Muttermilch für Buben und Mädchen?

or Kurzem sorgte ein Artikel für Furore, in dem Folgendes zu lesen war: „Männliche Babys geniessen an Mutters Brust einen luxuriösen Cocktail erlesener Nährstoffe mit nahrhaften Fettsäuren und wertvollen Proteinen; in der Stillmilch der Babymädchen fehlt es hingegen am besonders wertvollen Milchzucker“. (1) Von einer „Zweiklassenfütterung“ war die Rede, und es wurde der Eindruck erweckt, dass die Existenz einer „geschlechtsspezifischen Zusammensetzung“ der Muttermilch und eine damit verbundene Benachteiligung von Mädchen eine wissenschaftlich bewiesene Tatsache sei.

In der Tat ist Muttermilch ein äusserst interessantes und keineswegs immer gleich zusammengesetztes Produkt. Sie ist mehr als ein Nahrungsmittel, das ausschliesslich dazu dient, Gewichtszunahme und Wachstum des Menschbabys sicher zu stellen. Je nachdem wie alt das Kind ist und wie und wo es lebt, unterscheidet sich die Muttermilch in ihrer Zusammensetzung und fördert so die individuelle Entwicklung und Gesundheit des Kindes. Diese Unterschiede betreffen jedoch weniger das Verhältnis der Makronährstoffe zueinander, als vielmehr den ultrastrukturellen Bereich der einzelnen Bestandteile. Ein Beispiel: Inzwischen sind mehr als 200 verschiedene Oligosaccharide (Kohlenhydrate, die aus mehreren gleichen oder unterschiedlichen Einfachzuckern aufgebaut sind) in der Muttermilch identifiziert worden. Diese Zu-ckermoleküle schützen Säuglinge vor Infektionen und begünstigen die Entwicklung der Darmflora. Dabei unterscheidet sich die Muttermilch von einer Frau zur anderen in ihrer Zusammensetzung hinsichtlich der verschiedenen Oligosaccharide, auch wenn der Kohlenhydratanteil der Muttermilch insgesamt einigermassen konstant ist.

Unterschiede in der Zusammensetzung der Oligosaccharide oder gar fehlende Anteile bestimmter Nährstoffe konnten jedoch bislang nicht in einen eindeutig bewiesenen Zusammenhang mit dem Geschlecht des Kindes gebracht werden. Zwar gibt es eine amerikanische Untersuchung (2), in der die Energiedichte der Milch bei Müttern von Söhnen höher war als bei Müttern von Töchtern, doch lässt diese nur 25 Mutter-Kind-Paare umfassende Studie die Frage offen, ob es tatsächlich das genetische Geschlecht des Kindes ist, das zu diesen Unterschieden führt oder nicht doch das unterschiedliche Saugverhalten der Kinder; denn dass das Stillverhalten des Kindes Einfluss auf die Zusammensetzung der Milch hat, konnten australische Forscher schon 2006 nachweisen (3).

Doch ganz gleich, was die Ursache für die ganz individuelle Zusammensetzung der Muttermilch ist: sie bleibt einzigartig, wandlungsfähig und stets optimal auf die Bedürfnisse des Kindes abgestimmt. Das macht es unmöglich, einen synthetischen Ersatz herzustellen, der der Muttermilch in ihrer Vielfalt und mit all ihren besonderen Eigenschaften gleich kommen könnte.

Denise Both

(1) Nike Heinen: Muttermilch: Functional Food der Natur – Mamas Wundercocktail, Süddeutsche Zeitung, 05.01.2011
(2) Camille E. Powe, Cheryl D. Knott, Nancy Conklin-Brittain: Infant sex predicts breast milk energy content, American Journal of Human Biology 2010 (22): 50-54
(3) Kent JC, Mitoulas LR, Cregan MD, Ramsay DT, Doherty DA, Hartmann PE: Volume and frequency of breastfeedings and fat content of breast milk throughout the day. Pediatrics 2006 (117): 387-395.