Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /home/httpd/vhosts/lalecheleague.ch/elternzeitschrift.org/libraries/cms/application/cms.php on line 464 2010/05 Weniger Bauchweh dank Muttermilch

„Das Kind hat Bauchweh“ ist ein Satz, den fast jede Mutter kennt. Bei stillenden Müttern wird dann fast reflexartig noch hinterhergeschoben: „Was hast Du denn gegessen?“ Denn hartnäckig hält sich der Glaube daran, dass gestillte Kinder vor allem deshalb Blähungen und andere Verdauungsprobleme haben, weil ihre Mutter etwas „Falsches“ gegessen hat.

In der Hitliste der Themen, mit denen sich werdende und junge Eltern konfrontiert sehen, rangiert „Bauchweh“ ziemlich weit oben. Fast scheint es, als ob „Baby“ und „Bauchprobleme“ nicht nur den Anfangsbuchstaben miteinander teilten, sondern schier untrennbar verbunden wären. Verdauungsprobleme können bei allen Babys auftreten, keineswegs leiden nur gestillte Kinder unter den viel beschriebenen „Drei-Monats-Koliken“. Dennoch wird immer wieder fälschlicherweise behauptet, dass Stillkinder viel häufiger Bauchprobleme hätten und Müttern werden bereits in der Schwangerschaft lange Listen an die Hand gegeben, in denen akribisch verzeichnet ist, was in der Stillzeit auf keinen Fall auf dem
Speiseplan stehen dürfe. Diese – in der Regel absolut überflüssigen – Einschränkungen halten nicht selten Frauen davon ab, überhaupt zu stillen, da ihnen die Aussicht, über Wochen und Monate hinweg nur von „Wasser und Brot“ zu leben unerträglich erscheint.

Eine neue Studie aus Kanada (1) liefert nun Hinweise dafür, dass es entgegen der allgemein verbreiteten Ansicht genau umgekehrt sein könnte: Gestillte Kinder haben wahrscheinlich seltener Verdauungsprobleme als Kinder, die mit künstlicher Säuglingsnahrung gefüttert werden.
Bingxian Wang und seine Kollegen am McMaster Brain-Body Institute und Department für Psychiatrie am St. Joseph's Healthcare in Ontario entdeckten, dass eine in der Muttermilch enthaltene probiotische Substanz, der im Darm von vielen Säugelebewesen und auch in der Muttermilch vorkommende Lactobacillus reuteri, schmerzhafte Darmkrämpfe mildern oder sogar lösen kann.

In ihrer an Mäusen durchgeführten Studie zeigte sich, dass ein spezieller Stamm von Lactobacillus reuteri Muskelkontraktionen im Darm minutenschnell abschwächen kann. Die Beobachtung lässt darauf schliessen, dass mit Muttermilch ernährte Kinder von dieser krampflindernden Wirkung profitieren und weniger oft von Bauchproblemen geplagt werden als mit künstlicher Säuglingsnahrung gefütterte Babys. Aus wissenschaftlicher Sicht ist darüber hinaus noch eine weitere Anwendung denkbar: Die Forscher gehen davon aus, dass eine therapeutische Zufuhr dieses Bakteriums bei einem breiten Spektrum von Darmproblemen wie zum Beispiel Reizdarmsyndrom, entzündlichen Darmerkrankungen und Verstopfung zur Linderung beitragen könne. Der Theorie dahinter ist, dass durch eine Verbesserung des Gleichgewichts der Darmflora eine gesundheitsfördernde Wirkung erzielt wird. Und auch wenn es kaum zu realisieren sein wird, Muttermilch als Medikament für Erwachsene in grossem Stil einzusetzen, so lassen sich vielleicht doch einzelne Bestandteile wie zum Beispiel Lactobacillus reuteri therapeutisch nutzen.

Denise Both

(1) Bingxian Wang, Yu-Kang Mao, Caroline Diorio, Michael Pasyk, Richard You Wu, John Bienenstock, and Wolfgang A. Kunze. Luminal administration ex vivo of a live Lactobacillus species moderates mouse jejunal motility within minutes FASEB J. doi:10.1096/fj.09153841; http://www.fasebj.org/cgi/content/ abstract/fj.09-153841v1