Die offizielle Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation lautet: sechs Monate ausschliessliches Stillen und daran anschliessend, mit geeigneter Beikost, bis zum Alter von zwei Jahren und darüber hinaus weiter zu stillen (15). Diese Empfehlung wird in Deutschland nur sehr halbherzig umgesetzt.
Weniger als 20 Prozent der Säuglinge werden mit sechs Monaten noch ausschliesslich gestillt (Berlin: 16, 7 Bayern 21, 4). Fast die Hälfte der Säuglinge ist in diesem Alter schon komplett abgestillt (Berlin: 43 %, Bayern 48,6 %) (4).
In letzter Zeit wird von einigen Seiten zunehmend darauf gedrängt, die Altersangabe in der Empfehlung zur Beikosteinführung von sechs Monaten auf vier bis sechs Monate abzuändern. Als Begründung für diese Änderung wird ein möglicherweise verringertes Risiko für die Entstehung von Allergien und Zöliakie bei frühzeitigerer Beikosteinführung angegeben (3, 11).
Für die Manifestation von Allergien sind andere Faktoren wesentlich bedeutsamer als der Zeitpunkt der Beikosteinführung, z.B. Genetik, prä- und postnatale Keimberührung einschliesslich Darmflora und umweltbedingte chemische Belastungen (8-10 u.a.).
Die Empfehlung, sechs Monate ausschliesslich zu stillen, berücksichtigt nicht nur die Prävalenz von Allergien, sondern die gesamte Entwicklung des Kindes. Die derzeitige Datenlage spricht auch in Hinblick auf Allergien nicht dagegen, weiterhin zu empfehlen, sechs Monate ausschliesslich zu stillen (3, 5, 12). In Anbetracht der nachweisbaren Risiken des Nichtstillens oder Teilstillens sollte die Empfehlung, sechs Monate ausschliesslich zu stillen, aufrecht erhalten bleiben.
Risiken durch verfrühtes Zufüttern
Eine Empfehlung, nur vier bis sechs Monate ausschliesslich zu stillen, birgt die grosse Gefahr, dass Eltern verstärkt ihre Säuglinge bereits mit vier Monaten, einige sogar im 4. Monat (ab 3 Monate) mit Beikost zufüttern. Die Milchbildung wird dadurch bereits frühzeitig reduziert, und ein längeres weiteres Stillen wird deswegen erschwert. Dieses birgt erhebliche Risiken (1).
Wir plädieren dafür, die Empfehlung, sechs Monate ausschliesslich zu stillen, beizubehalten, da damit kein erhöhtes Risiko für Allergien und Zöliakie zu erwarten ist (2, 11, 12). Demgegenüber steht bei einer Empfehlung für früheres Zufüttern ein Risiko für ein verfrühtes Abstillen mit dementsprechend erhöhtem Risiko für Infekte und SIDS (14), und im späteren Leben einem erhöhten Risiko für Adipositas (1, 5), einer schlechteren psychomotorischen Entwicklung (7) und ungünstigeren Kieferentwicklung (5), einem erhöhten Risiko für Diabetes Mellitus und möglicherweise für kardiovaskuläre Erkrankungen beim Kind (1, 5), einem erhöhten Risiko für Mammakarzinom, Ovarialkarzinom und Osteoporose bei der Mutter (1), und einer schlechteren Mutter-Kind-Bindung mit einem erhöhten Risiko für Verwahrlosung (13).
Diese Stellungnahme wird unterstützt von
Aktionsgruppe Babynahrung AGB
Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen AFS
Ausbildungszentrum für Laktation und Stillen
Berufsverband Deutscher Laktationsberaterinnen BDL
Deutscher Hebammenverband DHV
Europäisches Institut für Stillen und Laktation des VELB
La Leche Liga Deutschland e.V. LLLD
Elien Rouw, Utta Reich-Schottky, Denise Both