Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /home/httpd/vhosts/lalecheleague.ch/elternzeitschrift.org/libraries/cms/application/cms.php on line 464 2012/05 Dreck macht nicht nur Speck

"Dreck macht Speck" lautete ein Spruch unserer Grossmütter. Damit wollten sie uns sagen, dass wir es mit unseren Hygienevorstellungen beim Aufwachsen unserer Kinder nicht zu eng sehen sollten. Dass zu viel Hygiene und «Keimfreiheit» tatsächlich nicht zu gesünderen Kindern und Erwachsenen führen, wurde auch von Wissenschaftlern längst bestätigt.

Die so genannte Hygienehypothese besagt, dass die heutzutage – vor allem in der westlichen Welt – keimarme Umgebung, in der unsere Kinder aufwachsen, deren Immunsystem keineswegs positiv beeinflusst, sondern im Gegenteil dessen Entwicklung behindert. Fehlt dem kindlichen Immunsystem die Konfrontation mit nicht krankmachenden Mikroben und ungefährlichen Parasiten, sucht es nach anderen «Gegnern». Nicht selten findet es diese in Antigenen, die zwar an und für sich ungefährlich sind, doch auf die es nicht angemessen reagiert. Die Folge ist eine seit langem zu beobachtende Zunahme von Autoimmunerkrankungen wie Allergien, Asthma und entzündlichen Darmerkrankungen.

Unterstützt wird die Hygienehypothese durch die Erkenntnis, dass Kinder, die auf Bauernhöfen aufwachsen und dort mit mehr Schmutz in Berührung kommen, deutlich seltener an Allergien und Asthma leiden. Ein weiteres Indiz für die Hypothese lässt sich aus den Beobachtungen ableiten, dass Kinder, die mit Spulwürmern infiziert waren, ebenfalls seltener an allergischen Erkrankungen leiden.

Die Untersuchung von Torsten Olszak und seinen Kollegen (1) an den Uniklinken Kiel und München sowie der Harvard Medical School in Boston liefert nun Erklärungsansätze für die Beobachtungen, die zur Hygienehypothese geführt haben. Das Team aus deutschen und US-amerikanischen Wissenschaftlern verglich normale Labormäuse mit Versuchsmäusen, die in sterilen Käfigen gehalten wurden und keimfreie Nahrung erhalten hatten, um zu verhindern, dass sich bei ihnen die natürlicherweise vorhandene Darmflora entwickelt. Untersuchungen ergaben, dass die so aufgewachsenen Mäuse besonders viele natürliche Killer-T-Zellen in Lunge und Darm aufwiesen. Diese Zellen spielen eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung von Autoimmunerkrankungen.

Anschliessend setzten die Forscher die Versuchsmäuse im Alter von acht Wochen zu normalen Labormäusen. Dabei mussten sie feststellen, dass sich das Immunsystem der Versuchstiere keineswegs wie erhofft anpasste. Als sie jedoch trächtige zu den normalen Mäusen setzten, stellte sich heraus, dass bei ihren Jungen eine im Rahmen des Normalen liegende Anzahl von natürlichen Killer-T-Zellen nachweisbar war und die Jungen eine geringere Anfälligkeit für entzündliche Darmerkrankungen und Asthma hatten.

Dadurch, dass die Jungen sofort nach der Geburt mit Keimen in Kontakt kamen, die normalerweise bei Mäusen vorkommen und nicht krank machen, kam es zu einer Normalisierung der natürlichen Killer-T-Zellen und einer verbesserten Gesundheit. Diese Versuche am Mausmodell weisen darauf hin, dass der Zeitpunkt, zu dem der Kontakt mit Keimen stattfindet, eine entscheidende Rolle für die Entwicklung des Immunsystems spielt. Um eine langfristig vorbeugende Wirkung zu erzielen, ist ein früher Kontakt wichtig. Auch wenn Erkenntnisse aus Tiermodellen nicht unbedingt auf Menschen übertragbar sind, lässt sich an ihnen doch ablesen, in welche Richtung die Forschung zur Prävention von Autoimmunerkrankungen gehen kann.

Denise Both

1 T. Olszak et al.: Microbial Exposure During Early Life Has Persistent Effects on Natural Killer T Cell Function. In: Science. Online erschienen am 22 März 2012.