Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /home/httpd/vhosts/lalecheleague.ch/elternzeitschrift.org/libraries/cms/application/cms.php on line 464 2013/06 Zuwendung, Zeit und Vertrauen – Schwangere brauchen Hebammen

Liest man die Statistiken, drängt sich der Eindruck auf, dass Schwangerschaft und Geburt kaum mehr als natürliche Lebensereignisse betrachtet werden können. Die Zahl der Risikofaktoren im Mutterpass geht ebenso in die Höhe wie die der Kaiserschnitte.

Eine Schwangerschaft ist für die werdenden Eltern immer eine aufregende Zeit, nicht nur beim ersten Kind. Bei Fragen, Sorgen und Ängsten ist es gut, wenn eine kompetente Ansprechpartnerin zur Verfügung steht, mit genügend Zeit und Wissen, um zu antworten, zu beruhigen, im Bedarfsfall aber auch an entsprechende Fachpersonen weiterzuvermitteln. Damit steht schon ein ganz wichtiger Aspekt der Betreuung von schwangeren Frauen fest: Es muss genügend Zeit da sein. Zeit zum Zuhören, Zeit zum Kennenlernen, Zeit, um Vertrauen aufzubauen. Doch genau diese Zeit hat eine Frauenärztin oder ein Frauenarzt nur in den seltensten Fällen. Ausserdem hilft es Frauen sehr, wenn sie Kontinuität erfahren dürfen. Nicht ständig wechselnde Betreuung, sondern im Optimalfall eine Ansprechperson, die sie kennt und einschätzen kann, der sie vertraut und die umgekehrt auch Vertrauen in die Fähigkeiten und Kraft der Frau hat.

In den meisten Fällen sind Schwangerschaft und Geburt auch heute noch das, was sie immer waren: Ein natürlicher Vorgang, der keine medizinischen Interventionen erfordert. Die Mehrheit aller Frauen ist in der Lage, ihre Kinder ohne ärztliche Hilfe zu gebären. Dennoch steigt die Zahl der Frauen, die als «risikoschwanger» eingestuft werden und die medizinischen Eingriffe während der Geburt nehmen zu. Dass dem so ist, könnte nicht zuletzt auch wieder am Faktor Zeit liegen, denn Geburtshilfe ist zeitaufwändig und verlangt neben Wissen auch Geduld und die Fähigkeit, warten zu können. Letzteres verträgt sich jedoch nicht mit modernen Abrechnungsmodellen, die vor allem auf Effizienz und Schnelligkeit setzen. Es bleibt wenig Raum, um eine Beziehung zur werdenden Mutter aufzubauen, wenn nicht nur die Stoppuhr im Hintergrund läuft, sondern bei (fast) jedem Termin zur Vorsorge und auch während der Geburt ständig wechselndes Personal zu erwarten ist.

Eine von der «Cochrane Pregnancy and Childbirth Group» durchgeführte Analyse von insgesamt 13 Studien aus fünf Ländern mit insgesamt 16.242 Müttern hat nun etwas ergeben, was viele Frauen und Hebammen wenig verblüffen wird: Frauen, die während der Schwangerschaft und der Geburt von Hebammen betreut werden, benötigen bei der Geburt weniger Medikamente und erfahren seltener medizinische Eingriffe wie Dammschnitt, Einsatz von Zange oder Saugglocke. Auch die Schwangerschaften verlaufen bei kontinuierlicher Hebammenbetreuung komplikationsloser. Das Risiko für Frühgeburten und Totgeburten vor der 24. Schwangerschaftswoche war in der Gruppe der von Hebammen betreuten Frauen sogar um 16 Prozent verringert. Ausserdem liess die Analyse der Studien erkennen, dass der Zufriedenheitsgrad von Frauen, die während Schwangerschaft und Geburt von Hebammen betreut wurden, höher war. Die werdenden Mütter fühlen sich tendenziell besser betreut und versorgt.

Geburtskliniken und medizinische Eingriffe bis hin zum Kaiserschnitt haben im Bedarfsfall zweifelsohne ihre Berechtigung. Für Frauen mit medizinischen Problemen ist eine gute ärztliche Betreuung mit Sicherheit unerlässlich, doch die Mehrheit der Frauen könnte dieser Untersuchung zufolge von «weniger ist mehr» profitieren. Deshalb sollten Frauen unbedingt darauf hingewiesen werden, dass Hebammenbetreuung für Schwangerschaft und Geburt durchaus eine Option darstellt und sie in vielen Ländern auch Anspruch auf diese Form der Betreuung haben.

Denise Both

Sandall J et al: Midwife-led continuity models versus other models of care for childbearing women. Cochrane Database of Systematic Reviews 2013, Issue 8.