Viele Frauen erleben, dass das Stillen mit jedem Kind problemloser wird. Nicht weiter erstaunlich möchte man denken, denn schliesslich ist es häufig so, dass Erfahrung und Übung dazu beitragen, dass etwas leichter geht.
Beim ersten Kind ist vieles neu und ungewohnt und die Mutter muss sich in ihre neue Rolle erst einfinden. Auch das Stillen kann manchmal mühsam sein oder sogar so schwierig oder mit solchen Problemen behaftet, dass die Stillzeit schon beendet sein kann, ehe sie überhaupt richtig begonnen hat. Oftmals hört die Frau dann den Satz „beim nächsten Kind klappt es sicher besser“. Diese tröstend gemeinte Aussage wird nun von einer Studie von Wissenschaftlern am Cold Spring Harbor Laboratory in den USA untermauert – zumindest für Mäuse.
Schon länger ist bekannt, dass die Schwangerschaft ein wesentlicher Faktor für die Entwicklung der Brustdrüse ist. Die in der Schwangerschaft wirkenden Hormone führen zur Ausdifferenzierung der Brust, was sich nicht zuletzt an ihrem schwangerschaftsbedingten Wachstum erkennen lässt. Dieses Volumenzunahme der Brust beruht vor allem darauf, dass das die Milchgänge in der Brustdrüse weiter aussprossen und sich verzweigen und die für die Milchbildung notwendigen Alveolen ausgebildet werden und wachsen.
Professor Greg Hannon und seine Mitarbeiter simulierten durch gezielte Hormongaben eine Schwangerschaft bei den Versuchstieren und stellten fest, dass es – wie zu erwarten – bei allen Mäusen zur Ausbildung von Milchgängen und auch zur Bildung von Milch kam. Die Brustdrüsen der untersuchten Mäuse, die bereits einmal schwanger waren, reagierten allerdings deutlich stärker und schneller auf den veränderten Hormonhaushalt als die Mäuse, die noch nie schwanger waren. Das legt den Schluss nahe, dass die Brust über eine Art „Gedächtnis“ verfügt, das dazu führt, dass die Zellen in einer erneuten Schwangerschaft schneller und mehr Milch bilden können, als es bei ersten Mal der Fall ist. Genetische Untersuchungen an isolierten Brustdrüsenzellen bestätigen diese Annahme.
Um zu verstehen, was die Wissenschaftler hierbei untersuchten, muss man wissen, dass die DNA, die Grundbausteine der Erbsubstanz einer Zelle, im Laufe des Lebens durch die Übertragung von Methylgruppen immer wieder chemisch verändert wird. Die DNA-Methylierung ist allerdings keine Mutation, sondern eine Form der epigenetischen Veränderung. Epigenetische Veränderungen wirken sich, anders als Mutationen, ausschliesslich auf den Phänotyp, also die äusserliche Ausprägung, nicht jedoch auf den Genotyp aus. Die Methylierungsmuster der DNA der Mäuse, die bereits einmal Junge bekommen hatten, wiesen in bestimmten Bereichen deutliche Unterschiede gegenüber den Methylierungsmustern der Mäuse auf, die bisher noch nicht schwanger waren. Diese Bereiche lagen in der Nähe von Genen, von denen bekannt ist, dass sie einen Zusammenhang mit schwangerschaftsbedingten Veränderungen der Brust haben. Weiter konnte festgestellt werden, dass die Veränderungen im Methylierungsmuster nach Schwangerschaft und Stillzeit erhalten blieben. Dies wiederum liefert eine Erklärung dafür, warum die Brustdrüse in einer Folgeschwangerschaft schneller und stärker reagiert.
Es scheint also tatsächlich einen Erinnerungseffekt bei der Brustdrüse zu geben, der dazu führt, dass die Milch bei Mehrgebärenden schneller und reichlicher fliesst und Frauen mit Milchmengenproblemen beim ersten Kind in der Tat berechtigte Hoffnung haben dürfen, dass es bei weiteren Kindern im wahrsten Sinne des Wortes besser laufen wird.
Denise Both