Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /home/httpd/vhosts/lalecheleague.ch/elternzeitschrift.org/libraries/cms/application/cms.php on line 464 2007/02 So ein Krampf
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Die ersten Wochen mit einem neugeborenen Baby sind nicht ganz ohne. Neue Aufgaben, ein neuer Rhythmus, andere Prioritäten. Dies ist schon Herausforderung genug. Wenn dann das Baby auch noch unglücklich ist und die Mutter keinen Weg findet, es zu beruhigen, nagen die Zweifel, wächst die Hilflosigkeit, droht sogar das Scheitern der Stillbeziehung.

Das Baby ist auf der Welt, doch alles ist anders als erhofft und erträumt. Denn das kleine Menschlein entspricht so gar nicht dem Bild vom glücklichen Neugeborenen, das von Werbeplakaten oder aus Büchern lacht. Die schönen Momente mit dem kleinen Sohn, der kleinen Tochter sind dünn gesät: Der Vormittag und Mittag verlaufen vielleicht noch friedlich, am Nachmittag wird aus dem kleinen Sonnenschein ein immer grösseres Unwetter. Das Kleine weint oder schreit ohne Unterlass, windet sich und ist alles andere als „gut drauf“. Die Mutter tut ihr Möglichstes, um das Kleine zu befriedigen, doch es gelingt ihr nicht. Ihre Brust kann keinen Trost spenden, es scheint fast, als ob sie sogar Ursache des Übels ist. Zweifel an sich selbst und Angst um das Wohlergehen des Kindes beginnen die Mutter zu quälen. Reicht die Milch wirklich aus oder weint das Baby nicht doch vor Hunger? Diese Sorge ist in den meisten Fällen unbegründet: Ein Baby, das gut zunimmt, fünf bis sechs nasse Windeln pro Tag und mehrmals täglich Stuhlgang in den ersten sechs Lebenswochen hat, bekommt auf jeden Fall genug Milch, auch wenn es nach dem Stillen nicht friedlich einschlummert.
Angeblich sind fünf Prozent aller Babys so genannte „Kolikbabys“. Sie schreien überdurchschnittlich viel, vor allem in den Abendstunden, haben dabei ein hartes Bäuchlein und pupsen viel. Doch wenn man sich umhört, etwa in Stillgruppen oder Internetforen, scheinen viel mehr Säuglinge betroffen zu sein.

In den ersten Wochen leidet scheinbar jedes Kind unter Bauchweh
Laut offizieller Definition schreit ein Schreikind über einen Zeitraum von mindestens drei Wochen an min-destens drei Tagen pro Woche mehr als drei Stunden pro Tag. Doch den meisten Eltern ist das wohl egal. Sie wissen nur, dass ihr Baby aus für sie unverständlichen Gründen schreit, sich nicht ab-lenken oder beruhigen lässt und viel Körperkontakt fordert.

Koliken haben viele Ursachen
In der Tat sind viele Ursachen für die „Koliken“ bei Neugeborenen bekannt. Es gibt die Hypothesen, dass vorgeburtliche Erfahrungen eine Rolle spielen könnten oder die Geburt an sich das Baby belastet. Vermutungen, die sich nur schwer beweisen lassen und die gewiss in erster Linie Schuldgefühle in der Mutter wecken. Fest steht jedoch, dass nicht alle Babys, die stundenlang untröstlich weinen, an Bauchschmerzen leiden. Der Begriff „Dreimonatskoliken“ ist irreführend, obendrein kann die Schreiphase vereinzelt auch länger als drei Monate andauern.
Es ist auch möglich, dass Verspannungen oder Blockaden im Bereich der Halswirbelsäule zu Schmerzen bei Neugeborenen führen. Oft beobachtet man in diesen Fällen Asymmetrien im Gesicht oder wunde Brustwarzen bei der Mutter, weil das Baby sein Mündchen nicht weit genug öffnen kann, um die Brustwarze optimal zu erfassen. „Schiefhals“ oder das „KiSS-Syndrom“ sind Begriffe, die in diesem Zusammenhang immer wieder auftauchen und bei denen manuelle Therapien (etwa Osteopathie oder Atlastherapie) Erfolg versprechen. Osteopathen erfühlen Veränderungen im Körper der Babys, behandeln sie mit Anspannungs-, Impuls- oder Berührungstechniken und lindern oder beheben dadurch funktionelle Beschwerden. Viele Eltern berichten, dass eine solche Behandlung die Beschwerden ihrer Kleinen merklich lindern konnte. Auch wird beobachtet, dass Babys, die bislang keine gute Saugtechnik entwickelt hatten, danach besser trinken. Das wiederum kann tatsächliche Blähungen verringern oder gar beenden, denn ein Stillkind, das nicht korrekt angelegt ist, schluckt oft viel Luft; Klickgeräusche beim Stillen deuten darauf hin. Nicht immer bedarf es therapeutischer Hilfe: Bei Blähungen reicht es oft schon, die Anlegetechnik zu überprüfen und zu korrigieren, um eine Besserung zu erreichen.

Ammenmärchen angedaute Milch
Auch Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder Allergien können in seltenen Fällen einem kleinen Baby das Leben schwer machen. Daher ist die Frage vieler frustrierter Mütter verständlich: „Bekommt meinem Baby meine Milch etwa nicht und ginge es ihm vielleicht besser, wenn es nicht gestillt würde?“. Tatsächlich können Lebensmittel in der Ernährung der Mutter dem Kind auf den Magen schlagen. In diesem Fall werden die Blähungen und Schreiperioden des Säuglings viel besser, wenn Mama einige Zeit lang auf die entsprechenden Nahrungsmittel verzichtet.
Abstillen ist nur in Extremfällen eine Alternative: Gerade bei einem Allergierisiko bleibt Muttermilch meist die beste Nahrungsquelle für ein Menschenkind, künstliche Säuglingsnahrung kann ihr einfach nicht das Wasser reichen. Und da Ersatzprodukte meist auf Kuhmilch basieren, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass sie dem Baby schwer im Magen liegen. Übrigens gibt es auch Hinweise darauf, dass manche Fluor- und Vitamin-D-Präparate den ganz Kleinen nicht gut bekommen. Wenn die Beschwerden nach ein paar Tagen ohne diese Präparate besser werden, sollte das unbedingt mit dem Kinderarzt besprochen werden.
Ein leider immer noch weit verbreitetes Ammenmärchen ist, dass ein Baby nicht zu häufig angelegt werden darf. Doch es ist erwiesen, dass es keine Bauchschmerzen gibt, wenn frische Milch auf angedaute Milch trifft. Die Brust ist in den ersten Wochen im Leben eines Säuglings die beste Quelle des Trostes und darf als solche ohne Angst angeboten werden. Die Babys sind kompetent genug, um selbst zu wissen, was ihnen gerade gut tut, ob sie das Angebot annehmen oder lieber ablehnen möchten.

Unreifes Magen-Darm-System
Experten führen die Dreimonatskoliken auf das noch unreife Magen-Darm-System eines Neugeborenen zurück. Das erscheint logisch, denn die Beschwerden lassen tatsächlich meist nach etwa 15 Wochen nach, wenn das Magen-Darm-System weiter gereift ist. Doch nicht nur der Verdauungsapparat, auch das Nervensystem der Kinder ist bei der Geburt noch nicht „reif“ fürs Leben. Darum kommen viele Neugeborenen noch nicht zurecht mit dem Lärm und der Unruhe ausserhalb des Mutterleibes. Besonders sensible Babys entwickeln sich daher zu „Schreikindern“, die William Sears auch liebevoll „24-Stunden-Babys“, „besonders liebesbedürftige Babys“ oder „Babys mit starken Bedürfnissen“ nennt.

Babys, die viel schreien, brauchen ganz besonders viel Liebe
Viele dieser Babys haben keine Bauchschmerzen, sie schreien vielmehr nach Ruhe, Geborgenheit, Rhythmus, Struktur. Sie zeigen oft „Regulationsstörungen“, schaffen es nicht aus eigener Kraft abzuschalten. Diese Babys brauchen Zeit, um sich der Welt mit ihren vielen teils bedrohlichen Eindrücken zu öffnen. In unseren Breitengraden fällt es oft schwer, dies als „normal“ zu akzeptieren, anderswo ist es selbstverständlich. So berichtet Christine Rankl in ihrem Buch „So beruhige ich mein Baby. Tipps aus der Schreiambulanz“, dass balinesische Babys in ihren ersten 105 Lebenstagen un-unterbrochen getragen werden, bevor sie erst dann mit einem Ritual offiziell als Stammesmitglieder begrüsst werden.

Babys brauchen eine gewisse Zeit, um richtig „anzukommen”
Auch Eltern hierzulande wird die Betreuung eines Schreikindes einfacher fallen, je mehr sie sich damit abfinden, dass das Kind vermutlich eine Weile lang Beschwerden haben wird, die sie ihm nicht abnehmen können. Trotzdem können Eltern helfen. Indem sie da sind, tröstend und verständnisvoll, sich anhören, worüber sich die kleine Maus beklagt. Und ihr von Anfang an zeigen, dass sie auf Mama und Papa zählen
kann, dass die Eltern sie nicht im Stich lassen. Es gibt Möglichkeiten zur Linderung der Beschwerden (siehe Kasten). Doch manchmal bleibt dem Kind und seinen Eltern gar nichts anderes übrig, als geduldig zu sein und die Gewissheit zu bewahren, dass es sich um eine Phase handelt, die vorübergehen wird.

Die Familie leidet mit
Familien mit einem überdurchschnittlich oft und lang schreienden Baby stehen unter grossem Stress, unabhängig davon, wie lange das Kind tatsächlich schreit: Wer sein Baby nicht beruhigen kann, es nicht im wahrsten Sinne des Wortes zu stillen vermag, wird automatisch von Gefühlen der Ohnmacht und Hilflosigkeit geplagt. Jeder Ton des Babys wird zur Bedrohung. Mutter und Vater werden sehr angespannt und kämpfen oft gegen Schuldgefühle und negative Gedanken gegen das Baby. Die gesunde Hemmung (die in Abhängigkeit davon sinkt, wie viel Gewalterfahrung oder Vernachlässigung man selbst in jungen Jahren erleiden musste) erlaubt es nicht, dem Baby gegenüber aggressiv zu sein. So werden Wut und Hilflosigkeit oft auf Dritte gerichtet. Mütter oder Väter lassen ihren Frust dann an älteren Geschwistern oder aneinander aus. Wenn Eltern dies erkennen, sollten sie sich (professionelle) Unterstützung suchen, um die Familie nicht noch mehr zu belasten beziehungsweise zu gefährden (siehe auch Interview Seite 12). Wer es trotz Schreibaby schafft, die innere Sicherheit zu gewinnen: „Ich bin eine gute Mutter, ich bin ein guter Vater, auch wenn unser Baby Probleme hat, die wir nicht lösen, bei dem wir es nur begleiten können.“, der braucht sich nicht an anderen auszulassen, der kann sogar positive Erfahrungen aus der Schreiphase seines Kindes ziehen.

Kristina Heindel