Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /home/httpd/vhosts/lalecheleague.ch/elternzeitschrift.org/libraries/cms/application/cms.php on line 464 2015/05 Stillen und Beruf – ganz konkret
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Stillen liegt im Aufwärtstrend. Ebenso wie die Berufstätigkeit der Mutter. Höhere Teilzeitpensen haben zugenommen und der Anteil nichterwerbstätiger Mütter ist im Vergleich zu den Neunzigerjahren um die Hälfte gesunken.

Wie zeigt sich der eingangs erwähnte Trend in Ihrer Realität als Stillberaterin?
Das Thema Erwerbstätigkeit kommt in der Stillgruppe immer häufiger zur Sprache. Hier in Deutschland steigen viele Mütter nach dem ersten Geburtstag des Kindes wieder in den Beruf ein.  Auch das Projekt «Stillen bei Erwerbstätigkeit» bekommt in den letzten Jahren immer mehr Anfragen. Leider verbinden immer noch viele Menschen den Wiedereinstieg in den Beruf mit dem Abstillen. Das ist aber nicht notwendig. Daher ist hier noch viel Aufklärungsarbeit nötig.

Welche Hürden könnten Frauen heute am Arbeitsplatz antreffen? Und wie kann frau diesen begegnen?
So manche Arbeitgeber haben sich mit dem Thema Stillen noch gar nicht beschäftigt und reagieren oft überrascht auf den Stillwunsch der Mutter. Das Thema ist einfach in den Firmen zu wenig präsent und steht auch bei den zahlreichen Zertifizierungen für familienfreundliche Betriebe nicht im Vordergrund. Daher ist es wichtig, dass Frauen gut informiert in das Gespräch mit dem Arbeitgeber gehen. Sie sollten einen konkreten Plan haben, wie sie Berufstätigkeit und Stillen vereinbaren wollen und gleichzeitig dem Arbeitgeber deutlich machen, dass das Stillen die Qualität ihrer Arbeit nicht beeinträchtigt. Für Arbeitgeber sind klare Ansprechpartner und Listen hilfreich: Was wird wann benötigt (ruhiges Zimmer zum Abpumpen und Stillen, Aufbewahrung für abgepumpte Milch usw.), in Deutschland muss ausserdem die Berufsgenossenschaft (BG) hinzugezogen werden.

Es gibt gewisse gesetzliche Rahmenbedingungen für das Stillen und Abpumpen am Arbeitsplatz. Sind diese Ihrer Meinung nach ausreichend?
Hier in Deutschland ist die Regelung für das Stillen und Abpumpen am Arbeitsplatz ziemlich umfangreich. Der Frau steht die zum Stillen erforderliche Zeit zu. Darüber hinaus besteht ein Nachtarbeitsverbot für stillende Mütter und es gelten besondere Grenzwerte für den Umgang mit Gefahrstoffen. Das sind schon recht weit gefasste Regeln. Ausserdem steht im Mutterschutzgesetz keine zeitliche Begrenzung, so dass auch Stillen nach dem Säuglingsalter nach dem Gesetz geschützt ist.

Soweit die Theorie. Wie sieht das in der Praxis aus?
Leider gibt es bei der praktischen Anwendung dieser Regelungen oft Unstimmigkeiten und Probleme. Es gibt zum Beispiel Gerichtsurteile, die die Stillzeit auf das erste Lebensjahr des Kindes beschränken. Diese finde ich persönlich nicht passend, vor allem angesichts der WHO-Empfehlung. Danach sollte mindestens die angegebene Untergrenze von zwei Jahren Stillzeit eingehalten werden.

Bei der Regelung zur Nachtarbeit gäbe es ebenfalls Nachbesserungsbedarf. Diese sollte auch Ausnahmen zulassen. In meinem Beratungsalltag erlebe ich öfter Frauen, vor allem in Pflegeberufen, die gerne nachts arbeiten möchten, weil das für sie am leichtesten zu vereinbaren ist. Diese müssen dann aber angeben, dass sie nicht mehr stillen und damit auch auf den weitergehenden Schutz durch das Mutterschutzgesetz verzichten.

Beim Wiedereinstieg in den Beruf, besonders wenn dieser ausser Haus stattfindet, werden auch die Karten innerhalb der Familie neu verteilt. Es gibt viel zu organisieren. Welche Schwerpunkte sollte man dabei nicht aus den Augen verlieren?
Beim Wiedereinstieg in den Beruf ist Organisation sehr wichtig. Es gilt zu überlegen, wie die Kinderbetreuung gestaltet werden soll. Wer übernimmt welche Aufgaben im Haushalt und was passiert, wenn es mal nicht so klappt, wie es geplant wurde?

Meiner Meinung nach ist es besonders wichtig, dass die Berufstätigkeit der Frau nicht einfach zu ihren anderen Tätigkeiten hinzuaddiert wird. Es spricht nichts dagegen, Haushaltsaufgaben auszulagern und zum Beispiel Dienstleister hierfür in Anspruch zu nehmen.

Die Kinderbetreuung ist ein sehr wichtiger Punkt. Hier muss die Familie eine Betreuungsform finden, mit der sich alle wohlfühlen. Betreuung durch Familienmitglieder, Tageseltern oder in einer Kinderkrippe sollte immer qualitativ möglichst hochwertig sein und sich an den Bedürfnissen des Kindes orientieren.

Nun zur Praxis in Bezug auf die Stillbeziehung. Was sind absolute Grundvoraussetzungen für den beruflichen Wiedereinstieg während der Stillzeit?
Zunächst einmal Vertrauen in sich selbst und das Kind. Viele Dinge, über die man sich im Voraus Gedanken macht, lösen sich von selbst. So habe ich mir damals vor dem beruflichen Wiedereinstieg grosse Sorgen gemacht, weil mein Sohn fast keine Beikost ass und gleichzeitig jede Form von abgepumpter Muttermilch verweigerte. Ich habe mich richtiggehend verrückt gemacht. Völlig ohne Grund, denn bei der Tagesmutter ass er vom ersten Tag an völlig problemlos am Familientisch mit. Kinder sind oft flexibler als wir denken.

Wenn man noch während der Vollstillzeit wieder anfängt zu arbeiten und abpumpen möchte, sollte man sich eine gute Milchpumpe zulegen, um Stress zu vermeiden?
Generell sollte man sich alles so einfach wie möglich machen. Also zum Beispiel zuhause wie gewohnt weiterstillen und sich genug Entlastung und Unterstützung holen. Der Kontakt zu anderen stillenden erwerbstätigen Müttern bringt auch Entlastung, wenn es manchmal viel zu viel zu sein scheint. Ich unterhalte für das Projekt «Stillen bei Erwerbstätigkeit» eine Facebook-Gruppe, in der wir konkrete Situationen im virtuellen Rahmen betreuen. Und manchmal trösten wir einander auch einfach, wenn es gerade keine Lösung für schwierige Phasen in der Stillbeziehung gibt.

Welche Message sollte frau den betreuenden Personen mitgeben?
Wichtig ist es, die eigene Position klar zu vertreten und gleichzeitig Informationen zur Verfügung zu stellen. In vielen Betreuungseinrichtungen ist Stillen nicht oder nur wenig präsent. Hier können beispielsweise die Informationsblätter der Nationalen Stillkommission über den sicheren Umgang mit abgepumpter Muttermilch helfen, Vorurteile abzubauen.

Ausserdem ist auch bei der Kinderbetreuung Vertrauen sehr wichtig. Nur wenn ich mein Kind gut aufgehoben weiss, kann ich mich auch guten Gewissens auf meine Arbeit konzentrieren. Dafür sind Gespräche notwendig, damit dieses Vertrauen entstehen kann und eine ausreichend lange Eingewöhnung. Die betreuende Person wird Teil meines «Dorfes», das bedeutet, dass ich sie auch entsprechend behandeln sollte und eben nicht nur wie einen Dienstleister.

Welchen Stellenwert nimmt das Stillen nach den ersten Monaten denn überhaupt noch ein? Lohnt sich der Aufwand, den man sich und den Betreuungspersonen zumutet?
Muttermilch und Stillen ist mehr als nur Nahrungsaufnahme. Es ist auch eine Verbindung zum Kind, die man nicht unterschätzen sollte. Gerade wenn durch die Wiederaufnahme der Arbeit ein grosser Umbruch stattfindet, ist diese Verbindung wichtig. Ausserdem enthält die Muttermilch gerade um den ersten Geburtstag, der zumindest hier in Deutschland oft der Zeitpunkt für den beruflichen Wiedereinstieg darstellt, besonders viele Immunfaktoren. Diese unterstützen das Kind dann auch in der neuen Betreuungssituation, in der oft mehrere Kinder zusammenkommen und es Kontakt zu weiteren Keimen hat. Gestillte Kinder sind statistisch gesehen seltener krank und damit sinkt auch der Anteil der Ausfalltage, die die Eltern bei der Arbeit haben.

Meiner Meinung nach ist das Füttern von abgepumpter Muttermilch auch nicht aufwendiger als das Füttern von Formula. Es ist nur ungewohnt. Und mit zunehmendem Alter des Kindes nimmt der Aufwand ab, weil das Kind dann oft bei der Betreuungsperson Beikost isst und zuhause stillt.

Auf dem Papier sieht es doch für arbeitende Mütter und Väter so gut aus wie noch nie zuvor. Wo klemmt es in der Realität?
Da ist zunächst einmal die Präsenzkultur in vielen Unternehmen, die Vereinbarkeit oft behindert. Die Qualität der Arbeit hat nichts mit der Anwesenheitsdauer in der Firma zu tun.
Ein weiteres Thema, das mir am Herzen liegt, ist die Aufteilung der Aufgaben in der Familie. Hier herrscht oft noch eine traditionelle Rollenverteilung vor. Dabei wollen sich viele Väter gerne mehr engagieren und viele Mütter würden gerne mehr Unterstützung erhalten. Dafür müsste es aber auch eine Bewegung hin zu mehr vollzeitnaher Teilzeit für Väter geben. Was spricht denn dagegen, dass beide Elternteile zum Beispiel 30 Stunden pro Woche arbeiten und damit auch beide mehr Zeit für die Familie haben?

Für mich persönlich ist das 50/50-Prinzip erstrebenswert, bei dem alle Aufgaben, also Erwerbsarbeit, Hausarbeit, Kinderbetreuung und Freizeit gleichberechtigt aufgeteilt werden. Väter haben das gleiche Recht, eine wichtige Rolle im Leben ihrer Kinder zu spielen, wie Mütter. Und das ist meiner Meinung nach in diesem Modell am besten möglich. Gleichzeitig finde ich Wahlfreiheit wichtig, denn es gibt ja durchaus Familien, die sich bewusst für ein anderes Modell entscheiden und auch das hat meiner Meinung nach seine Berechtigung. Vorausgesetzt, dass dann auch die Absicherung entsprechend ist. Angesichts der gesellschaftlichen Realität (hohe Scheidungsraten) halte ich das für extrem wichtig.

Schliesslich ist es noch an der Zeit, dass wir uns von den oftmals überzogenen Vorstellungen von «guten Müttern» lösen. Wir sind nicht die allein seligmachenden Engel für unsere Kinder. Sie können auch zu anderen Betreuungspersonen gute und vertrauensvolle Beziehungen aufbauen und erleiden dadurch keinen bleibenden Schaden.
 
All diese Themen verarbeite ich mit meiner Kollegin Sabrina Sailer auf unserem Vereinbarkeitsblog.
(Link siehe Infokasten)
 
Mit Uta Tanzer sprach Denise Ruhland