Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /home/httpd/vhosts/lalecheleague.ch/elternzeitschrift.org/libraries/cms/application/cms.php on line 464 2006/02 Dammschnitt – Einschnitt mit Folgen

Durch die Fortschritte in der Medizin konnte die Sterblichkeitsrate von Mutter und Kind im letzten Jahrhundert so stark gesenkt werden, dass zusehends die mütterlichen Verletzungen und deren eventuelle Langzeitfolgen ins Zentrum des Interesses gerückt sind.

Das Mehr an Information macht vor allem Erstgebärenden Angst, nach einer vaginalen Entbindung Geburtsverletzungen mit Langzeitfolgen davonzutragen.

Aus der Angst vor Geburtsverletzungen resultiert teilweise das zunehmende Interesse am Kaiserschnitt auf Wunsch. Lebensqualität wird immer wichtiger und Frauen wollen sich weniger dem Risiko aussetzen, nach einer vaginalen Geburt „unten“ ausgeleiert oder geschnitten und genäht zu werden. Veränderte Wertvorstellungen unserer Gesellschaft tun ihr übriges. Dabei hat bereits die Schwangerschaft Auswirkungen auf die Beckenbodenfunktion und löst in 23 bis 67 Prozent der Geburten eine Stressharninkontinenz aus. Das lässt sich auch mit einem Wunschkaiserschnitt nicht umgehen. Daher ist Prävention in der Schwangerschaft so wichtig. Nur wenn regelmässig die Kontrolluntersuchungen besucht werden, sinkt die Wahrscheinlichkeit eines Dammschnitts, da der Arzt Anregungen für Vorbereitung und Training des Beckenbodens auf Lager hat. Die Vorzüge des Beckenbodentrainings lassen sich sogar ein Jahr nach der Entbindung nachweisen. Sie können schon im Vorfeld dazu beitragen, dass ein Beckenbodentrauma bei einer vaginalen Geburt möglichst gering ausfällt und dass der Damm der Gebärenden intakt bleibt. Aufrechte Gebärpositionen oder Wassergeburten können ebenfalls vor Dammverletzungen schützen.

Kontinuierliche Betreuung
Eine grosse Rolle spielt auch das Umfeld, in dem die werdende Mutter Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu Gebären sowie Ruhe und Konzentration auf diesen elementaren Prozess in sich finden kann. Eine harmonische, natürliche Geburt ohne Notwendigkeit von medizinischen Hilfestellungen bedeutet, im rechten Moment alles loslassen zu können. Leider ist es nicht einfach, eine Atmosphäre herzustellen, in der Ruhe, Sammlung und tiefes emotionales Öffnen geschehen können. Doch selbst ungünstige Orte verwandeln sich in gute, wenn die richtigen Menschen da sind, um der Frau in ihrer Geburt zur Mutter emotional beizustehen. Am wirksamsten ist die Gebärende vor Geburtsverletzungen oder Komplikationen geschützt, wenn sie emotionale Sicherheit im Partner und/oder in einer Freundin oder Vertrauten hat, die sie kontinuierlich aufmerksam betreuen.
Studien konnten zeigen, dass durch den Einsatz von Doulas die Dauer der Geburt merklich verkürzt wird, und es kommen auch weitaus weniger Schmerzmittel zum Einsatz. Robinson und Mitarbeiter stellten fest, dass hingegen die Rate der Dammverletzungen beim Einsatz der Epiduralanästhesie mit 16,1 Prozent deutlich erhöht war. Das erklärt sich unter anderem dadurch, dass die Frau durch das abhanden gekommene Schmerzempfinden nicht mehr so aktiv bei der Austreibungsphase mitarbeiten kann, was operative Interventionen begünstigt. Zangengeburt sowie hochgradige Dammrisse können eher vermieden werden, wenn die Gebärende gut betreut wird.

Inkontinenz
Das gute geburtshilfliche Management hat einen entscheidenden Einfluss auf das Vermeiden einer Stressharninkontinenz. Inkontinenz ist eine psychisch ausserordentlich belastende Situation und wird definiert als unwillkürlicher Abgang von Harn, Wind oder Stuhl (Stuhl-inkontinenz). Frauen, die einen Dammschnitt erhalten haben, weisen sechs Monate nach der Geburt noch immer ein deutlich höheres Risiko einer Stuhlinkontinenz auf als Frauen mit einem intakten Damm. Das Risiko verdreifacht sich sogar bei einem Schnitt, verglichen mit einem spontanen Dammriss. Eine kürzlich publizierte Metaanalyse zeigte auf, dass auch die meist prophylaktische mediane Episiotomie einen Risikofaktor für die Entwicklung einer Stuhlinkontinenz darstellt, da sie Dammrisse dritten und vierten Grades begünstigt. In 80 Prozent kommt es zu einer Erholung der Beckenbodenmuskulatur. Wie sehr die Inkontinenzproblematik die Lebensqualität beeinflusst, darüber gibt es nur wenig Informationen, weil derartige Beschwerden ein absolutes Tabuthema sind. Sie werden eher still erlitten als offen diskutiert. Umso wichtiger ist es, geburtshilfliche Faktoren, die an der Entstehung der Inkontinenz beteiligt sind, zu identifizieren und möglichst zu reduzieren.

Michaela Kyllönen