Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /home/httpd/vhosts/lalecheleague.ch/elternzeitschrift.org/libraries/cms/application/cms.php on line 464 2013/06 "Danke sagen und vergessen"

Elké Richter-Diehl weiss genau wovon sie spricht, wenn sie erschöpfte Mütter berät. Schliesslich ist sie selbst einmal in die Burn-out-Falle geraten. WirbelWind befragt die Expertin und Mutter zu ihren Erfahrungen und Einsichten, die sie im Ratgeber «Wenn Mama nicht mehr kann» festgehalten hat.

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Elké Richter-Diehl ist Naturärztin und Autorin
des Ratgebers «Wenn Mama nicht mehr kann»
(siehe Infothek). Sie gibt regelmässig Kurse
für erschöpfte Mütter und begleitet diese in ihrer Praxis
in Küssnacht am Rigi.

Woran erkenne ich, dass ich ein Problem habe? Gibt es klare körperliche Symptome, die zeigen: Du bist «am Anschlag»?
Es gibt psychische und physische Symptome, die klar aufzeigen, dass eine Überforderung eingetreten ist. Leider werden diese immer wieder ignoriert, solange der Alltag und dessen Stress noch zu bewältigen sind. Auch, wenn’s nicht mehr so glatt läuft. Im Nachhinein sagen fast alle Betroffenen: «Ich habe gespürt, dass ich nicht mehr kann, wollte es aber nicht wahrhaben. Und solange es noch irgendwie ging, konnte ich meine Symptome wegschieben und dachte: Mich trifft es ja eh nicht. Bald wird alles wieder besser.» So individuell wir Menschen sind, so sind es auch unsere Symptome; darum ist es für den Einzelnen oftmals nicht ersichtlich, ab wann die Belastbarkeitsgrenze überschritten ist. Dennoch gibt es wichtige, klar definierte Symptome für ein Burn-out: Die Betroffenen leiden oft unter permanenter Erschöpfung und Müdigkeit, Schlafstörungen, Motivationslosigkeit bei Arbeit, Beruf und Hobby, körperlichen Beschwerden, Stimmungsschwankungen, sozialem Rückzug, kognitiven Einschränkungen sowie Gefühlen der Sinnlosigkeit, Angst und Hoffnungslosigkeit bis hin zur Verzweiflung. Es gibt noch mehr, aber um eine exakte Diagnose zu erlangen, sollte eine ärztliche Abklärung unbedingt erfolgen.

Der «Babyblues» in den ersten Wochen nach der Geburt tritt ja recht häufig auf. Woher aber weiss ich, dass es sich nicht um eine Wochenbettdepression handelt?
Der Babyblues tritt häufig direkt nach der Geburt auf, parallel mit dem sich ändernden Hormonspiegel. Östrogen und Progesteron sinken und Prolaktin steigt an.
Diese hormonelle Veränderung kann zu Stimmungsschwankungen, Traurigkeit im Wechsel mit Glücksgefühl, Erschöpfung und hoher Sensibilität führen. In der Regel klingen diese Symptome nach sieben bis zehn Tagen wieder ab. Sollte die Traurigkeit, gekoppelt mit dem Gefühl der Sinnlosigkeit, länger Bestand haben, ist Vorsicht geboten. Treten obendrein Ängste und zwiespältige Gefühle für das Kind auf und überwiegt die Traurigkeit, könnten dies bereits erste Anzeichen einer Depression sein. Diese Frauen kapseln sich immer mehr ab und hegen oft Schuldgefühle und Versagensängste, die bis hin zu Suizidgedanken führen. Selbst wohltuende, beruhigende und bestärkende Worte kommen bei ihnen nicht mehr an.

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Burnout entsteht aus einer Überlastung heraus. Wie kann ich dieses Zuviel an Belastung abstellen?
Das Zuviel an Belastung sollte eigentlich schon abgestellt werden, bevor das Mass voll ist. Da dies jedoch selten rechtzeitig erkannt und angenommen wird, stehen die Zeiger auf fünf nach Zwölf und der Körper zwingt einen dazu, das zu tun, was nötig ist. Es muss aber nicht dazu kommen, wenn man schon vorher geeignete Massnahmen trifft, die gar nicht gross sein müssen, zum Beispiel ein Spaziergang an der frischen Luft, anstatt die Küche aufzuräumen, oder die Nachbarin zu fragen, ob sie auf die Kinder aufpasst, damit der Wocheneinkauf stressfrei verläuft. Ich erinnere mich noch genau daran, dass ich Besuch erwartete und die Küche noch nicht sauber war. Da ich keine Spülmaschine hatte, musste ich das Geschirr von Hand abspülen. Ich war aber so müde und meine Tochter war gerade eingeschlafen. Da habe ich kurzerhand das schmutzige Geschirr in den Backofen gestellt, ein Küchentuch davor gehängt und die Küche sah ordentlich aus. Dann konnte ich mich für eine halbe Stunde hinlegen und war den Rest des Nachmittags ausgeruht. Das Wissen, dass das Geschirr noch im Backofen stand, zauberte mir den ganzen Nachmittag ein entspanntes Lächeln auf mein Gesicht. Am Abend spülte ich dann zusammen mit meinem Mann das Geschirr ab. Solche Sachen hätte ich echt öfter machen sollen.

Ändern muss ich als Betroffene etwas an mir selbst, dann ändert sich das Umfeld automatisch mit. Angehörige wissen oft nicht wirklich, was man braucht. Sie können einem den Ball zuwerfen, aber man muss ihn selbst zurückspielen und nicht auf die erneute Aufforderung warten. Sobald man aber signalisiert, dass Hilfe erwünscht ist, ist das Umfeld meist da und zieht mit. Jeder Angehörige hilft nämlich gerne, wenn er weiss, was zu tun ist.

Welche naturheilkundlichen Therapien gibt es gegen Burn-out?
Naturheilkundliche Therapien für die Entspannung gibt es unzählige: Alle streben Erholung an. Es hängt ganz von Ihnen selbst ab, welche Form der Therapie Sie bevorzugen: Eine, bei der Sie passiv daran beteiligt sind, wie zum Beispiel Akupunktur, Massagen oder Solebäder, oder eher eine, bei der Sie sich aktiv entspannen können, wie zum Beispiel bei Yoga, progressiver Muskelentspannung oder Tai Chi. Meine Favoriten sind Übungen, die mit bewusstem Atmen verbunden sind und bei denen ich mich aktiv beteiligen kann. So lerne ich, mit meinem Körper und Geist die Verantwortung zu übernehmen. Natürlich gibt es auch naturheilkundliche Mittel wie Baldrian, Schüssler Salze oder die Klassische Homöopathie, die die Therapien unterstützen. In meinem Ratgeber gibt es viele Tipps und Übungen im Rahmen eines 14-Tage-Programms. Nach Erarbeiten dieser leichten Aufgaben und Entspannungsmassnahmen wird deutlich, ob ein Urlaub den Stress wieder ausgleichen kann, eher eine Therapie Erfolg verspricht oder ob ein Klinikoder Reha-Aufenthalt unerlässlich ist. Wenn der Stress bereits schwerere ernste Symptome ausgelöst hat, ist eine therapeutische Beratung und Therapie unerlässlich.

Stillende Mütter, die sich ausgebrannt fühlen, bekommen oft zu hören, es würde ihnen besser gehen, wenn sie nur ihr Kind endlich abstillen und zum Durchschlafen trainieren würden. Wie kann sich eine Frau gegen solche Vorwürfe abschirmen?
Eine Mutter, die gerne stillt, hat damit auch keinen Stress. Natürlich sind die schlaflosen Nächte kräftezehrend, aber wenn die Natur es vorgesehen hätte, dass stillende Mütter so erschöpft würden, dass sie ein Burn-out erleiden, dann gäbe es etwas anderes. Stress bedeutet immer, dass man der Sache nicht (mehr) gewachsen ist. Da Stillen aber unter anderem auch die Glückshormone ausschüttet, kann es nicht der Grund für eine totale Erschöpfung sein.

Diese Ratschläge sind oftmals gut gemeint, da das Umfeld helfen möchte und nicht weiss, was es tun soll. Sie kommen in absolut bester Absicht. Also: anhören, danke sagen und wieder vergessen! Ein Kind zum Durchschlafen zu trainieren kann sehr stressig sein, da es wider die Natur ist. Wenn irgend möglich, können die fehlenden Schlafstunden für die Mutter am Tag nachgeholt werden. Sollte eine Mutter berufstätig sein und tagsüber keine Möglichkeit zum Schlafen haben, gibt es hier zum Beispiel die Finger-Mudras oder die progressive Muskelentspannung, welche für eine tiefe Erholung innert Minuten sorgen können. Die Zeit des Stillens ist auch absehbar. Jede Mutter sollte selbst in sich hineinhorchen, um zu spüren, was sie wirklich braucht und für sie stimmig ist. Dies ist nicht immer einfach und gäbe es eine hundertprozentige Anleitung für all dies, würde ich sie sofort niederschreiben und veröffentlichen!

Mit Elké Richter-Diehl sprach Kristina Heindel