Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /home/httpd/vhosts/lalecheleague.ch/elternzeitschrift.org/libraries/cms/application/cms.php on line 464 2014/01 Alle Kinder haben ein Recht auf Muttermilch
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Kerri Frischknecht kann auf rund 40 Jahre Berufserfahrung zurückblicken. 1999 hat sie in ihrer Tätigkeit als Stillberaterin am Ostschweizer Kinderspital in St. Gallen das erste Stillförderprogramm für eine Kinderklinik in der Schweiz entwickelt. WirbelWind hat mit ihr über die Herausforderungen in der Arbeit mit frühgeborenen und kranken Kindern gesprochen.

Na sauber!

Intensivmedizin und Stillen, ist das nicht ein Widerspruch in sich?
Die Betreuung in der Schwangerschaft und um die Geburt sowie die Intensivmedizin haben sich über die letzten Jahrzehnte sehr positiv entwickelt. Frühgeborene Babys sowie kranke Säuglinge am Termin haben heute deutlich bessere Chancen.

Viele dieser Kinder, die früher automatisch mit Muttermilchersatzmitteln ernährt wurden, werden heute sogar auf der Intensivstation erfolgreich gestillt. In Ausnahmefällen, wo das Stillen nicht möglich ist, kann man den Kindern dennoch kurze «Erfahrungen» ermöglichen, etwa Riechen und Abschlecken von Muttermilchtropfen. Ich persönlich finde nicht, dass Stillen und Intensivmedizin ein Widerspruch sind. Im Gegenteil: Alle Kinder haben ein Recht darauf, gestillt zu werden oder abgepumpte Milch zu bekommen. Wir als Fachpersonen sind dafür verantwortlich, dass Mutter und Kind die nötige Unterstützung dafür bekommen.

Welchen Stellenwert haben Muttermilch und Stillen auf Ihrer Intensivstation?
Am Ostschweizer Kinderspital in St. Gallen ist eine Stillberaterin IBCLC Montag bis Freitag ganztags für stillende oder abpumpende Mütter da. Wir sind fester Teil des Teams, dadurch wird sichergestellt, dass die Empfehlungen von der WHO zum Stillen unterstützt werden.
Das Stillen und die Ernährung mit Muttermilch oder gespendeter Milch aus unserer Frauenmilchbank hat einen sehr hohen Stellenwert im ganzen Kinderspital.

Wie läuft der Stillbeginn bei Früh-
geborenen?
Die Eltern werden wenn möglich schon in der Schwangerschaft über die Stillberatung im Haus informiert. Nach Eintritt des Patienten auf der Intensivstation nimmt eine Stillberaterin Kontakt mit der Mutter auf. Sie unterstützt das Mutter-Kind-Paar nun bis zur Entlassung aus dem Spital kontinuierlich in allen Belangen des Stillens und Abpumpens. Mütter von zu früh geborenen Babys oder sehr kranken Babys brauchen hauptsächlich Unterstützung in der Förderung sowie der Aufrechterhaltung der Milchproduktion. Andere wichtige Informationen betreffen Hygiene, Aufbewahrung und Transport der Muttermilch. Wann immer möglich wird der Haut-auf-Haut-Kontakt (Kanguruhen) gefördert; genau hier fängt das «Stillen» an. Zusätzlich wird durch den direkten Hautkontakt das enteromämmare System angeregt: Die Keime aus dem Umfeld von Kind und Mutter werden über das Bronchialsystem oder den Gastrointestinaltrakt aufgenommen und vom mütterlichen Immunsystem bearbeitet. Die zum Erreger passenden Antikörper wandern über Lymph- und Blutweg zur Brustdrüse und werden über die Muttermilch ans Kind weitergegeben.

Für den weiteren Weg zum Stillen sind entwicklungsfördernde Massnahmen wichtig. Deshalb versuchen wir, gezielte Saugerfahrungen zu ermöglichen. Am Anfang wird der Säugling oft über Infusionen oder per Magensonde ernährt. Doch auch diese Kinder können von regelmässigem Saugen, z.B. am Finger der Mutter oder an einem Beruhigungssauger profitieren. Viele Kinder müssen sich in erster Linie auf ihre Atmung konzentrieren, und die Koordination der Atmung mit Saugen und Schlucken überfordert sie oft noch. Meist sind Kinder, die an der Brust trinken, aber stabiler als Kinder, die mit der Flasche ernährt sind. Gestillte Kinder können etwa eine Pause einlegen, ohne dass Milch nachläuft. Es gibt keine wissenschaftlichen Beweise dafür, dass ein Kind zuerst an die Flaschen gewöhnt werden muss, bevor es an der Brust darf.

Das Mutter-Kind-Paar kann von Tag zu Tag, von Mahlzeit zu Mahlzeit, unterschiedliche Schwierigkeiten und Bedürfnisse haben. Daher ist es wichtig, dass die orale Ernährungsversuche, ob an der Brust, mit der Flasche oder durch eine alternative Ernährungsmethode möglichst positiv für das Kind und die Bezugsperson verlaufen. Weitere praktische Punkte sind die Aufnahmen der Stimme von Mutter, Vater oder Geschwistern auf einen Tonträger für das Kind oder ein «Nuscheli», ein Stück Stoff, das die Mutter bei sich trägt, oft zwischen den Brüsten, und das dann zum Kind gelegt wird, damit es die Mutter riechen kann. Manchmal möchte eine Frau nicht direkt stillen sondern ihrem Kind die abgepumpte Muttermilch über eine alternative Ernährungsform verabreichen. Der Wunsch einer Mutter sollte immer respektiert werden. Keinesfalls darf sie unter Druck gesetzt werden um zu stillen!

Welche Rolle hat der Vater beim Stillen auf der Intensivstation?
Die Beziehung zwischen Vater und Kind aufzubauen ist nicht weniger wichtig als jene zwischen Mutter und Kind. Haut-auf-Haut-Kontakt mit dem Vater ist ebenso wichtig wie mit der Mutter. Eine positive Einstellung des Vaters zum Stillen und Abpumpen bedeutet in der Regel eine grosse Hilfe für die Mutter.

Die Situation mit einem kranken Kind ist sicher nicht leicht für die betroffenen 
Eltern. Welche Unterstützung brauchen Eltern auf der Neugeborenen-Intensivstation?
Für Eltern von kleinen oder kranken Patienten auf einer Intensivstation ist einfühlsame Beratung besonders wichtig. Das Paar hat in der Regel grosse Angst um sein Kind und benötigt fachliche Unterstützung. Nicht selten steht das Leben des Kindes im Vordergrund und nicht das Stillen. Hier ist ein gut funktionierendes, interdisziplinäres Team wichtig, das seine Ressourcen dem Kind und seinen Eltern zur Verfügung stellt. Auch das Vermeiden von verschiedenen Meinungen macht Eltern das Leben leichter.

Welche Unterstützung bieten Sie Eltern nach Entlassung?
Bevor ein Kind entlassen wird, muss es alle Milch, die es benötigt, selbst trinken können, an Gewicht zunehmen und ohne Überwachungsgeräte sein. In komplexeren Fällen bieten wir einen sogenannten Urlaub an. Dieser findet zu Hause oder im nah gelegenen Ronald McDonald Elternhaus statt. Dieser bietet den Eltern die Möglichkeit, Sicherheit zu gewinnen und danach beruhigt ihr Kind ganz nach Hause zu nehmen. Nach der endgültigen Entlassung wird die weitere Betreuung vom Kinderarzt und der Mutter-Vater-Beratung übernommen. Wir in der Stillberatung begleiten die Eltern oft durch ambulante Besuche oder telefonische Unterstützung, bis das volle Stillen klappt.

Wie unterstützen Sie Eltern beim Verlust eines Kindes?
Der Tod eines Kindes ist ein einschneidendes Erlebnis für alle Beteiligten. Das Leben eines Elternpaares verändert sich durch den Verlust eines Kindes für immer.
Ich habe den Eindruck, dass Eltern oft Kraft aus einer Quelle schöpfen, die uns unbekannt ist, und bemerkenswert stark sind. Das Abstillen ist hier ein sehr delikates Thema. Es muss oder soll keinesfalls sofort stattfinden. Auf jeden Fall muss eine Frau genügend Zeit haben zu entscheiden, welcher Weg der richtige für sie ist. In vielen Situationen geht durch die emotionelle belastende Situation die Milchproduktion von alleine zurück. Manchmal entscheiden sich Frauen dafür, weiterhin ihre Milch abzupumpen, um ihre Trauer zu verarbeiten. Mit der Zeit wird das Abpumpen weniger und das Abstillen findet Schritt für Schritt statt. Es gibt Frauen, die sofort abstillen, aber noch eingefrorene Muttermilch haben und diese langsam eine Flasche nach der anderen auftauen und wegleeren um die Trauer zu bewältigen. Dann gibt es Frauen, die für eine bestimmte Zeit weiterpumpen und ihre Milch für andere Kinder in der Klinik spenden.

Was ist, wenn die Frau selber auf der Intensivstation liegt?
Diese Situation kommt öfter vor als man denkt. Falls Mutter und Kind in der gleichen Klinik sind, ist es in der Regel möglich, das Kind zu der Mutter zu bringen. Das Bonding findet unter Aufsicht des jeweiligen Fachpersonals statt, auch wenn die Mutter nicht bei Bewusstsein ist. Je nach Gesundheitszustand der Mutter und des Kindes kann abgepumpt oder gestillt werden. Sind Mutter und Kind in verschiedenen Kliniken, wird alles unternommen, das Kind zu der Mutter zu bringen für Besuchszeiten, Bonding und Stillen, falls der Zustand von Kind und Mutter es erlauben.

Was motiviert Sie in Ihrer Arbeit?
Meine Motivation ist auch nach nahezu 40 Jahren Begleitung von Familien in oft sehr schweren Situationen noch dieselbe. Wenn ein Kind, das zu Beginn seines Lebens auf einer Intensivstation sein muss, nach Hause in die Familie entlassen werden kann, ist das für mich sehr befriedigend. Nicht immer werden die Kinder gestillt, aber im Vordergrund steht für mich die optimale Betreuung des Kindes und die emotionale Unterstützung der Eltern in ihrer Beziehung zu ihrem Kind.

Mit Kerri Frischknecht sprach Nicole Ritsch

Kerri Frischknecht ist gebürtige Australierin, Pflegefachfrau HF, Hebamme, Mütter- und Väterberaterin und Still- und Laktationsberaterin IBCLC. Sie ist Autorin von Fachpublikationen und Vorstandsmitglied des Europäischen-Milchbank-Netzwerks (EMBA). Kerri lebt mit ihrem Mann in der Ostschweiz und hat drei erwachsene Kinder.