Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /home/httpd/vhosts/lalecheleague.ch/elternzeitschrift.org/libraries/cms/application/cms.php on line 464 2014/06 Das vierfache Ja
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Weltweit werden pro Jahr über 120 Millionen Kinder geboren. Das entspricht etwa vier Geburten pro Sekunde. Bei so viel Alltäglichkeit vergisst man leicht das Wunder der Geburt: Aus einem Menschen werden zwei, aus einem Paar eine Familie.

Wann beginnt das Kind, ein eigenes Lebewesen zu sein? Keine einfache Frage. Das Kind wächst im Inneren der Mutter zu einem immer eigenständigeren Lebewesen heran, ist aber stets mit ihr verbunden. Mutter und Kind teilen alle lebenswichtigen Prozesse und die Nabelschnur verbindet die beiden Körper zu einer Einheit. Erst das Durchtrennen der Nabelschnur und die ersten Atemzüge machen das Kind zu einem eigenen Lebewesen. Oder ist auch diese Beschreibung zu einfach?

Das Kind ist nämlich auch nach der Geburt noch eng mit der Mutter verbunden: Körper und Psyche der Mutter verändern sich, damit sie den Bedürfnissen des Kindes entsprechen kann und auch das Kind ist so geschaffen, dass es die Voraussetzungen für das Zusammenspiel mit der Mutter mitbringt. Es ist schwierig, die komplexe Beziehung zwischen der Mutter und dem Neugeborenen zu verstehen, ohne die beiden als Teile einer Einheit zu betrachten.

In der ersten Zeit nach der Geburt haben Väter keine leichte Aufgabe. Mutter und Kind sind noch immer stark verbunden und der Vater steht ausserhalb. Ich bezweifle, dass man in dieser Zeit überhaupt von einer Beziehung zwischen Vater und Kind sprechen kann. Mir scheint es angebrachter, von einer Beziehung zwischen dem Vater und der Mutter-Kind-Einheit zu sprechen. Erst wenn diese Einheit schwächer geworden ist, kann die Beziehung zwischen Vater und Kind als eigenständige Beziehung erstarken.

Ja sagen
Der dänische Familientherapeut und Pädagoge Jesper Juul hat einmal geschrieben, dass eine Liebesbeziehung immer mit einem Ja beginnt. Man lernt jemanden kennen und sagt Ja. Man sagt Ja zur Person, zur Art des Seins, zur gemeinsam verbrachten Zeit. Die Einheit von Mutter und Kind stellt den Vater vor eine ausserordentliche Situation: Das Ja zum Kind beinhaltet auch ein Ja zur Mutter. Und ein Ja zu beiden zusammen in ihrer Verbindung.

Das Ja zum Kind fällt in der Regel nicht schwer. Man hat sich auf diesen neuen Menschen gefreut und würde alles für ihn hingeben. Wenn alles gut geht, wird das Kind so angenommen, wie es ist und man versucht, ihm das Leben so gut wie möglich zu machen. Das Ja zur Mutter sollte eigentlich auch leicht fallen. Aus irgendeinem Grund hat man ja diese und nicht eine andere Frau als Mutter für seine Kinder gewählt. Schaut man genauer hin, kann die Sache aber komplizierter werden. Es ist nämlich nicht nur ein Kind, sondern auch eine Mutter geboren worden. Der Körper, die Rolle und die Persönlichkeit der Frau haben sich durch Schwangerschaft und Geburt deutlich verändert. Die selbstsichere und eigenständige Frau wird möglicherweise zu einer empfindlichen und unsicheren Mutter. Oder umgekehrt. Die Frau hat als Mutter oftmals weniger Lust auf Sex, ist möglicherweise gereizt, zeigt weniger Interesse an uns und so weiter. Deshalb muss die Partnerschaft in der ersten Zeit nach der Geburt neu definiert werden. In diesem Prozess ist es entscheidend, dass es dem Vater gelingt, die Mutter in der Frau zu bejahen und sich auf eine Erneuerung der Paarbeziehung einzulassen.

Das dritte Ja ist das Ja zur Beziehung zwischen Mutter und Kind. Auch dieses Ja fällt nicht immer leicht. Oft kommen mit der Geburt von Kindern auch Gewohnheiten, Vorstellungen und Erwartungen zum Vorschein, die vorher unbewusst waren oder keine Rolle spielten. Alte Muster werden aktiviert und kulturelle Unterschiede der Ursprungsfamilien treten ans Licht. Diese Unterschiede können dazu führen, dass man sich mit Kritik und Ablehnung begegnet. Der Vater findet möglicherweise, dass die Mutter weniger empfindlich sein sollte, dass sie nicht so sehr auf das Kind hören sollte, dass sie mehr Hausarbeit leisten sollte oder was auch immer. Ich glaube, dass Beziehungsarbeit in der ersten Zeit nach der Geburt darin besteht, offen und tolerant zu sein.

Die eigenen Vorstellungen und Erwartungen sollten nicht allzu ernst genommen werden. Manchmal muss man «die Fünf gerade sein lassen». Mit der Zeit stellt man fest, dass die eigenen Vorstellungen und Werte relativ sind und man alles auch anders machen kann, ohne dass die Welt untergeht. Gelingt es dem Mann, diesen Prozess zu vollziehen, ohne sich dabei selbst zu verlieren, legt er einen guten Grund für die Familie.
An dieser Stelle muss noch ein viertes Ja anhängt werden: das Ja zu uns als Vater. Auch wir wurden vom Mann zum Vater. Durch die Geburt des Kindes hat sich unser Leben für immer verändert. Wir sind nun verantwortlich für ein kleines Lebewesen und büssen einen entscheidenden Teil unserer Freiheit ein. Das kann schmerzen. Ebenso wie viele der anderen Veränderungen, die das Vaterwerden mit sich bringt. Erst wenn wir auch diese Veränderungen bejahen, werden wir wirklich offen für Mutter und Kind. Weiter beinhaltet das vierte Ja, dass wir zu unserem Recht stehen, unsere eigene Form des Elternseins zu entwickeln. Wir müssen nicht alles genauso machen wie die Mutter!

Mutter, Kind und Vater
Geburt und Tod sind die zwei grundlegendsten Erfahrungen des Lebens. Genauso wie wir oft vergessen, wie wunderbar die Geburt eines Menschen ist, vergessen wir allzu gerne, wie unfassbar und rätselhaft unsere Existenz ist. Wieso leben wir? Warum sind wir, wie wir sind? Was kommt nach dem Tod? Im Alltag treten diese existentiellen Fragen in den Hintergrund. Wir haben uns so sehr an unser Leben gewöhnt, dass wir es als eine Selbstverständlichkeit hinnehmen. Für ein neugeborenes Kind ist die Existenz noch keine Selbstverständlichkeit. Es hat sich noch nicht an das Leben gewöhnt. Es muss die Welt erst noch kennen lernen. Schritt für Schritt. Bewegung für Bewegung. Begegnung für Begegnung. Wir Eltern sind die ersten und wichtigsten Bezugspersonen und repräsentieren gewissermassen die Welt. Wir vermitteln dem Kind, ob sie ein guter Ort ist oder nicht. Wir vermitteln dem Kind, ob es willkommen ist oder nicht. Meiner Meinung nach bietet das vierfache Ja ein gutes Fundament, auf dem alles Weitere aufgebaut werden kann. Es ist selten, dass es sofort und von ganzem Herzen ausgesprochen werden kann. Die dahinterliegenden Prozesse benötigen Zeit und die soll man sich nehmen. Es ist aber gut, wenn man während dieser Zeit das Ziel nicht aus den Augen verliert: ja, ja, ja, ja.

Ueli Niederberger ist Lehrer und Psychologe. Er arbeitet mit Jesper Juul zusammen und ist Stiftungsrat der Schweizer «Pippi Langstrumpf Stiftung», die das Ziel hat «das Recht des Kindes auf seine Authentizität zu vertreten und das Bewusstsein für den Wert und den Respekt vor seiner Eigenständigkeit zu wecken».