Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /home/httpd/vhosts/lalecheleague.ch/elternzeitschrift.org/libraries/cms/application/cms.php on line 464 2005/04 Abstillen – Abschied und Neuanfang

Vielerorts wird empfohlen, Kinder nach Einführung entsprechender Beikost weiter zu stillen. Meist steht dabei dann noch: „Bis zum ersten Geburtstag, oder auch länger, solange Mutter und Kind es geniessen.“ Zuweilen könnte man das Gefühl bekommen, dieses „solange“ dürfe für eine Mutter nur so ausgelegt werden, dass sie mehrere Jahre lang stillt. Doch den richtigen Zeitpunkt fürs Abstillen kennt niemand besser als die Mutter selbst.

Die Vorteile des Stillens sind hinlänglich bekannt. Für nahezu alle Säuglinge ist in den ersten sechs Monaten Muttermilch die optimale Ernährung. Auch die Vorteile des Stillens für die Mutter sind bekannt. So verwundert es nicht, dass die 1998 vom deutschen Bundesministerium für Gesundheit veröffentlichte SuSe-Studie (bundesweite Studie zu Stillen und Säuglingsernährung im ersten Lebensjahr) ergab, dass etwa 90 Prozent aller befragten Mütter stillen wollten. Die Studie zeigte weiterhin, dass am Ende des 9. Lebensmonats noch 26 Prozent, am Ende des 12. Monats immerhin noch 13 Prozent der Säuglinge Muttermilch erhalten.

Abstillen oder Langzeitstillen
Die Bedeutung der Muttermilch als Lebensmittel sinkt für das Kind in dem Mass, wie es zunehmend Beikost zu sich nimmt. Dies beginnt zumeist, wenn das Baby etwa ein halbes Jahr alt ist. Mit zwölf Monaten darf dann das Kind alles vom Familientisch mitessen, in leicht abgeänderter Form. Viele Mütter sehen dann den Zeitpunkt zum Abstillen gekommen. Sie sind keine schlechteren Mütter als jene, die ihre Kinder noch über einen längeren Zeitraum an der Brust trinken lassen, mit dem Gedanken, dadurch das Bedürfnis nach Nähe und Zuwendung zu stillen. Die Qualität einer Mutter kann ganz gewiss nicht anhand der Länge der Stillzeit gemessen werden. Ebenso wenig, wie eine langzeitstillende Mutter dafür geächtet werden darf, dass sie das Stillbedürfnis ihres grösseren Kindes noch immer befriedigt, kann es den anderen Müttern vorgeworfen werden, dass sie ihr Kind nicht über das erste Lebensjahr hinaus an der Brust trinken lassen.

Die Bedürfnisse des Kindes beachten
Viel wichtiger als die Frage, wie lange im Einzelfall gestillt wird, ist doch, wie die Mutter mit den Bedürfnissen ihres Kindes umgeht. Carlos González, spanischer Kinderarzt und Autor des Buchs „Bésame Mucho“*, zeigt auf, wie oft wir Eltern auf Irrwege geraten, obgleich wir „das Beste“ für unser Kind suchen. Ob es ums Durchschlafen geht oder
um allgemeine Erziehungsfragen, ums Grenzen setzen oder ums Trocken werden: Meist machen wir uns weniger Gedanken darüber, was unsere Kinder tatsächlich brauchen als darüber, was wir aus ihnen machen wollen. González erinnert uns daran, dass ein Kind sich nur dann glücklich fühlt, wenn ihm Momente des Glücks geschenkt werden.

Auch Mamas Bedürfnis zählt
Auf der anderen Seite stehen die Bedürfnisse der Mutter, die ebenso wichtig sind wie die ihres Kindes. Findet eine Mutter Gefallen am Stillen, kann die Stillbeziehung länger andauern. Hat sie keine Lust mehr, oder stört es sie vielleicht sogar, so sollte sie auch dazu stehen und abstillen dürfen. Erinnern wir uns an die Empfehlung: „Die Stillbeziehung sollte so lange fortgeführt werden, wie Mutter und Kind dies wünschen.“ Nur wenn beide Partner es geniessen, macht die Fortsetzung der Stillpartnerschaft einen Sinn.

Der ostdeutsche Psychoanalytiker Hans-Joachim Maas warnt davor, dem Kind eine falsche Mutterliebe vorzugaukeln, da das Kind instinktiv die wahren Gefühle der Mutter spüre und deren Diskrepanz zum eigenen Empfinden zu einer Persönlichkeitsstörung führe. Interpretieren wir diesen Ansatz, liesse sich sagen: Stillt eine Mutter weiter, obwohl sie den Wunsch danach nicht mehr verspürt, könnte dies ihrem Kind sogar schaden!
Es sei nochmals hervorgehoben, was für ein Kind wichtig ist: Zu spüren, gewollt zu sein und geliebt zu werden, sich fallen lassen zu dürfen und aufgefangen zu werden. Zu wissen, da ist jemand, der für mich da ist und der auf mich Acht gibt, der mir Geborgenheit und Nähe schenkt. All das kann eine Mutter auch dann geben, wenn sie die Stillbeziehung bereits beendet hat. n

*Das Buch erscheint im Herbst 2005 auf Deutsch bei der La Leche Liga Deutschland e.V. unter dem Titel „In Liebe wachsen – Liebevolle Erziehung für glückliche Familien”.

Kristina Heindel