Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /home/httpd/vhosts/lalecheleague.ch/elternzeitschrift.org/libraries/cms/application/cms.php on line 464 2005/02 Kinderängste
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Bevor die Naturwissenschaften das bestehende Weltbild revolutionierten und damit der Kirche Terrain streitig machten, lebten die Menschen noch sehr verbunden mit der Natur, ihren Kreisläufen, den Naturgeistern und Naturgewalten. Sie waren Teil eines grossen Ganzen.

Die Angst vor mitunter vernichtenden Katastrophen gehörte zum Leben wie das Amen zum Gebet.

Wurden in der Antike Opfer dargebracht, um die Götter freundlich zu stimmen, war es der Ablasshandel, der im Mittelalter die Kassen klingeln liess und den Menschen die Hoffnung gab, vom zürnenden Gott verschont zu bleiben. Gott nahm, Gott gab.
Menschen wollen die Natur berechenbar machen

In unserem Jahrhundert verbinden wir mit Gott und dem Begriff Religion häufig die Institution Kirche. Natur ist nüchtern geworden. Durch permanentes Forschen soll sie berechenbarer werden, soll ihr ein Schnippchen geschlagen werden. Dass wir mit dieser Haltung der Natur nicht gerecht werden können, zeigt die jüngste Katastrophe in Südostasien.

Unerwartete Schrecken
Dann ist sie plötzlich da, die Angst. Erwachsene haben für sich zwar auch nicht immer eine Lösung, wenn Muren oder Lawinen abgehen und Menschen verschütten, wenn Orkane wüten oder Unwetter weite Landesteile überschwemmen, doch sie können sich Information einholen, über das Angstmachende reden oder auch schlichtweg ein Gebet sprechen.
Kinder sind solchen Naturgewalten, die sie in den Medien hautnah miterleben, mit voller Wucht ausgesetzt, denn sie können die Umwelteindrücke und Gefahren, die Ereignisse und Katastrophen nur entsprechend ihrer sich entwickelnden Fähigkeiten begreifen. Daher bleibt vieles unverständlich und kann Angst auslösen.
Je kleiner Kinder sind, umso mehr reicht es, körperliche Nähe anzubieten und selbst Ruhe und Souveränität auszustrahlen. Floskeln wie „Das ist doch so weit weg“ oder „Das kann uns nicht passieren“ sind zwar gut gemeint, aber holen das Kind nicht wirklich dort ab, wo es steht. Viel mehr braucht es das Gefühl, dass es Sinn macht, Angst zu haben. Es soll spüren können, dass es eine Lösung gibt, dieser Angst zu begegnen. Ob das Kind zur Angstbewältigung zu einem Lied greift, ein Bild malt, sich in die Arme der Eltern kuschelt oder ob es darüber reden will, darf es sich nach Möglichkeit selbst aussuchen.

Von guten Mächten wunderbar geborgen
Es ist auch tröstlich für unsere Kleinen, wenn sie erleben, dass Erwachsene an Gott glauben und daran, dass des Menschen Schicksal in Gottes Hand liegt, und dass wir an einer „höheren Stelle“ Zuflucht finden können, wenn wir uns ratlos fühlen. Das Bild des gütigen Gottes ist gerade für kleine Kinder eine Hilfe, um unerwartete Angst zu bewältigen. Auch mit dem Bildnis des Schutzengels gelingt es häufig, eine beklemmende Situation mit Hoffnung zu durchtränken und dem Kind dadurch Halt zu geben. Die kleinen Seelen sind diesen Lichtwesen noch viel näher und können ganz leicht wieder mit ihnen in Dialog treten. Engel warten nur darauf, um Hilfe gebeten zu werden.

Die Gesichter der Angst
Es gibt verschiedene Formen der Angst, die den Menschen ab seiner Geburt begleiten und sich im Laufe des Lebens verändern. Separationsängste, auch Trennungs- und Verlustängste genannt, treten in der kindlichen Entwicklung am frühesten auf, und zwar schon im ersten Lebensjahr. Sie zeigen sich im vierten bis sechsten Lebensmonat als erste sichtbare Furchtreaktion. Im achten Lebensmonat reagieren Babys mit dem „Fremdeln”. Als „lebenserhaltende” Reaktion schreit das Kind, wendet sein Gesicht ab und klammert sich an die Mutter. Laute Geräusche, Schmerz, das Gefühl zu fallen, Blitze und Schatten scheinen im Säuglingsalter angstauslösende Reize zu sein.

Mit zunehmendem Alter treten neue Ängste ins Leben
Im zweiten Lebensjahr kommen Angst vor der Dunkelheit, Angst vor Albträumen, Räubern und Tod, Angst vor Tieren und die Angst vor unbekannten Objekten, Situationen, Personen und Orten hinzu.

Gewissensangst
Hat das Kind schon einen gewissen Grad an Autonomie erlangt, dominiert die Angst davor, die Zuneigung der Eltern zu verlieren. Nach und nach kommt die Angst vor Strafe hinzu. Darüber hinaus verinnerlicht das Kind im Laufe der Entwicklung die Forderungen der Eltern und die sozialen Regeln. Das Über-Ich entsteht somit als innere Kontrollinstanz, die eine weitere Quelle der Angst darstellt: Die Gewissensangst.

„Kastrationsangst”
Aus der inzwischen entwickelten Fähigkeit des Kindes, Zeitlichkeit und Begrenztheit zu erfassen, entsteht die vielzitierte „Kastrationsangst”. Das Kind erkennt, dass man das, was man hat, auch wieder verlieren kann. Darüber hinaus ist der Körper schon in Ansätzen sexualisiert, und diese Tatsache macht die Angst vor Beschädigung des Körpers verständlich.

Angst vor Liebesverlust
Diese Form der Angst tritt häufig auf, wenn das Kind eine Schwester oder einen Bruder bekommt und ihm die Eltern nicht mehr die gleiche Aufmerksamkeit entgegenbringen wie vor der Geburt. Sie kann aber auch durch Äusserungen von Seiten der Eltern entstehen, die dem Kind schwere Schuldgefühle zuweisen mit Worten wie: „Wenn Du das nicht machst, haben wir dich nicht mehr lieb.”

Umweltangst

Realangst bekommt ein Kind oft erst mit dem neunten/zehnten Lebensjahr. Voraussetzung ist, dass die kognitive Entwicklung so weit fortgeschritten ist, dass das Kind sich mit den Tatsachen auseinandersetzen kann, die ihm vorher verschwiegen wurden, zum Beispiel Sexualität, Gewalt, Tod, Umweltzerstörung, Arbeitslosigkeit, Krieg oder Hungersnöte.
Leider lässt es sich nicht vollständig vermeiden, dass Kinder mit Fernsehbildern von Erdbebenopfern, Zeitungsfotos von Verkehrsunfällen oder Berichterstattungen aus Kriegsgebieten konfrontiert werden. Schon ein sommerliches Gewitter oder ein Hagelschauer können Ängste auslösen und tausend Fragen aufwerfen, warum das passiert, ob es gefährlich ist, ob Menschen sterben und Kinder ertrinken müssen und so weiter. Gerade Bilder prägen sich oft unglaublich tief ein und bleiben lange lebendig. Manchmal verarbeiten Kinder das mit Hilfe von Rollenspielen. Sie spielen die Situation so lange nach, bis sie ihren Schrecken verliert. Wichtig zu wissen ist, dass wir nicht immer Einfluss darauf nehmen können, was das Kind sieht und hört, dass wir aber aktiv da sein können, wenn es etwas Erschre-ckendes verarbeiten muss. Das bedeutet vor allem, viel Zeit zu haben, vielleicht ein Märchen dazu zu erzählen, wo der Held am Ende siegt oder selbst eine Geschichte zu erfinden, die zum Thema passt.

Sozialisationsangst
Sozialisationsangst tritt im Kindergarten und Schulalter auf. Angst vor dem Zusammensein mit vielen fremden Personen, vor Gleichaltrigen, vor der Kindergärtnerin oder den Lehrern. Kinder haben Angst davor, gerügt beziehungsweise ausgelacht oder verspottet zu werden.

Angstlust
Angstlust bedeutet schliesslich, eine Verknüpfung der Angst mit erregenden und lustvollen Gefühlen. Angstgefühle haben ihren Reiz im Nervenkitzel und machen das Wagnis interessant. Die Angst auszuhalten intensiviert die Lust, ob nun bei einer Achterbahnfahrt oder einem öffentlichen Auftritt. Es hat den Anschein, als sei insbesondere bei jungen Menschen ein starkes Bedürfnis vorhanden, sich dieser Angstlust auszusetzen. Dieses Bedürfnis lässt aber manchmal scharfe Grenzen vermissen, die es von einem selbstgefährdenden Verhalten unterscheiden.

Angst auszuhalten kann auch als lustvoll erlebt werden
Angst hat viele Gesichter. Es ist keine Schande, wenn ein Kind Angst hat. Die Hemmschwelle vor der Angst abzubauen und das Thema gemeinsam anzugehen hilft allen Beteiligten.

Michaela Kyllönen und Nicole Baumann-Zumstein